Höfener Nachtwächter
Als Ortsneckname (auch Ortsneckerei, Utznamen oder Spitznamen) bezeichnet man die scherzhafte Bezeichnung der Ortseinwohner durch die Bevölkerung benachbarter Orte. In der Regel erzählt man sich eine schwankhafte Geschichte (nicht selten aber auch mehrere, voneinander abweichende), die den Ortsnecknamen erklärt (vergleichbar einer ätiologischen Sage). Häufig ist der Ursprung des Necknamens aber nicht mehr bekannt. Vielfach haben die Bewohner eines Ortes mehrere Necknamen.
Ungefähr anno 1870, als der kleine "Flecken" Höfen noch keine eigene Kirche und Pfarrei besaß, mussten die Höfener Bürger bei Taufen und Hochzeiten zum Nachbarort Calmbach wandern. So begab sich damals ebenfalls eine Höfener Familie mit Anverwandten mit ihrem Täufling auf den Weg dahin. Zur Beförderung desselben hatte man ein Leiterwägelchen, das mit Heu ausgepolstert war.
Nach der Taufhandlung in der Calmbacher Kirche begab sich die Taufgemeinschaft in das neben der Kirche liegende Gasthaus "Rössle" zum Festschmaus. Nach deftigem Vesper und nach reichlichem Genuss von Wein und Bier kam gleich eine große Stimmung auf. Der Nachhauseweg war dann anschließend ziemlich beschwerlich; war man doch sehr angeschlagen.
Der Täufling in seinem Wägelchen wurde beim Marsch über Stock und Stein heftig durchgerüttelt und so war es kein Wunder, dass sich die Verschnürung am Wagen löste und der Täufling mit samt seinem Kissen aus dem Wagen rutschte. Natürlich merkte dies keiner. Erst zu Hause fiel dem Vater auf, daß das Wägelchen leer war. Große Aufregung, denn man war sicher, daß man den Täufling mitgenommen hatte. So mußte also schleunigst eine große Suchaktion eingeleitet werden, die letztlich zum Erfolg führte. Der Täufling wurde heil in einem Waldstück unweit Calmbachs, friedlich schlummernd, aufgefunden.
Natürlich blieb diese Geschichte nicht geheim. Die Calmbacher hatten die Suche von weitem gesehen. Dies mußte ja auch auffallen, wenn frühmorgens ca. 15 Leute mit Fackeln und Laternen im Wald herum rennen. Dies war natürlich ein "Fressen" für die Calmbacher "Rallen". Und da alle Nachbarflecken schon einen Spitznamen hatten, nur die Höfener nicht, gab diese Begebenheit mit dem verlorenen Täufling geradezu Anlass. Und so entstand am Stammtisch im Gasthaus "Rößle" in Calmbach der Beinamen "Nachtwächter" für die Höfener.